Anschlagsbrett - 01. September 2020

Albert Wieland
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Transformung*


In Berlin fand am Samstag 1. August 2020 eine Demonstration gegen die Übergriffe in die Freiheits- und Bürgerrechte in der Corona-Krise statt. Anstatt der Berufsdemonstranten trafen sich dazu Konservative, National-Liberale und sehr viele Christen. Im Gegensatz zu den üblichen Demonstrierer fand die Anreise und später auch die Abfahrt ohne Vorkommnisse statt. Trotz dieser Vorgeschichte erschien die Polizei bewaffnet, was sie merkwürdigerweise bei den ideologisch motivierten Demonstrationen, die wegen ihrer Gewalttätigkeit bekannt sind, bisher nicht tat. Die Straße des 17. Juni war schwarz von Menschen, auf Vergleichsphotos früherer Demonstrationen waren von den Medien bis zu hunderttausenden Menschen geschätzt worden, in diesem Fall gab man etwa 17.000 an. Im Gegensatz zu den linken Demonstrationen, die in ähnlicher Dichte aufmarschiert waren löste die Polizei diese Demonstration wegen der Besorgnis von Corona-Infektionen vor dem Abschluss auf.

In DER ZEIT vom 9. Juli 2020 ist ein Manifest über die Lage der Linken erschienen mit über 150 Unterschriften von bekannten Linken und Linksliberalen, vor allem aus der Publizistik, den Sozialen- und Bildungseinrichtungen. Kernpunkt ist die innere Verfassung der linken Bewegung. Bemerkenswert ist das Eingeständnis, dass sie gesiegt haben, aber immer noch in der Haltung fortfahren wie vor ihrem Durchbruch, d.h. für den „Fortschritt“, gegen Widerstände anstreitend, wie eine unterlegene Avantgarde.

Zunächst muss man festhalten, dass nach der Abschaffung des Christentums schon Rousseau erkannte, dass der Verlust von Religion, ohne Ersatz katastrophale Folgen haben könnte. Er forderte deshalb eine „religion civil“. Das war zunächst die Nation und später mit Welthorizont die Verteilungsgerechtigkeit der irdischen Güter durch den Sozialstaat. Es gilt festzuhalten, dass beide Bewegungen von Beginn an als Ersatz für die abgeschaffte Religion eingeführt wurden. Ihr größter Mangel besteht darin, dass sie keine Verbindung zum Ursprung und dem Orginal herstellen können.

Eine bemerkenswerte Feststellung traf dieses Manifest dahingehend, dass die Linken sich nicht nur so verhielten als wenn sie noch nicht gesiegt hätten, sondern sie würden auch nicht mehr lesen. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass die Linke nicht mehr aktuell sein kann, sondern wirkt wie eine Wahlwiederholung am Telefon. Damit bestätigt sie Nietzsche, der feststellte, dass im Nihilismus das immer Gleiche wiederkehrt und nichts Neues hervorgebracht wird. Sich damit überhaupt zu beschäftigen rechtfertigt das Eingeständnis, dass sie die Meinungsbildung und -verbreitung nicht nur beherrschen, sondern auch, dass sie sich im Stillstand befinden. Es fehlt aber die radikale Einsicht eines Gorbatschow, der bei der Auflösung der Sowjetunion den Sozialismus als den verhängnisvollsten Irrtum der Menschheit bezeichnete.

Sowohl die Nation als Nationalismus, als auch die Wohlfahrtsstaatsidee als Sozialismus gehen davon aus, dass das Bessere möglich ist, wenn es durch unaufgeklärte Menschen und Feinde nicht verhindert wird. Deshalb wollen sie einen anderen Menschen heranbilden, notfalls sogar erzwingen durch die Bekämpfung des Bösen in der menschlichen Natur. Besonders die deutschen Linken stehen Kant näher als Hegel, der in seinem Werk, das absolut Böse bestätigt hat. Der Übergang zur Erziehungsdiktatur ist daher fließend. Aus dem ursprünglichen Religionsersatz wird selbst eine Ersatzreligion, die trotz demokratischen Formalismus totalitär auftritt. Da die „Ersatzteile“ beide einen Wahrheitsanspruch erheben, schließen sie sich gegenseitig aus und verbreiten Feindbilder. Festzuhalten bleibt, dass dieser Stillstand und diese Feindseligkeit nicht Umstände bedingt sind, sondern immanent entstehen.

Und als dieses Böse sich des Nationalismus mit Unterdrückung und Massenmorden bemächtigt hat war dies einer der Tiefpunkte der Menschheitsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Der zweite war, als sich dieses absolut Böse des Sozialismus bemächtigte und die halbe Welt mit Zwangsarbeitslagern und Massenhinrichtungen in Furcht und Schrecken versetzte. Dostojewski, der sein Werk als aufgeklärter Intellektueller begann, war der Meinung, dass der Sieg des Sozialismus in Russland nicht zu verhindern sei, dass aber mit dem Sieg der Niedergang beginne. Alexandre Kojeve, in den 30iger Jahren des letzten Jahrhunderts vor der Revolution nach Frankreich geflohen, hielt sich im Exil mit Hegelvorlesungen über Wasser. Seine Prognose für den Erfolg der linken Bewegung ging weit über Dostojewski hinaus. Nach dem Sieg des Sozialismus würden die Menschen „das Tier der spezies homo sapiens“ werden. Hegel folgte in dieser Sache Platon der feststellte, dass Menschen die nur ihren Bedürfnissen und Lüsten lebten, lebten wie eine Schweineherde.

Die nahe liegende Konsequenz für die Unterzeichner dieses Manifestes und ihrer Anhänger wäre also den Mangel an der Quelle zu beheben und sich Zugang zum Original zu verschaffen. Sollten die Unterzeichner diese Gedanken nicht ins Auge fassen, wäre ihr Manifest eine Bestätigung für die Aussichtslosigkeit, wenn man sich selbst an den Haaren aus dem Sumpf zu ziehen versucht.

Wenn man dieses Manifest würdigen will, dann beanstandet es, dass die Linken zwar gesiegt hätten aber weiter agitierten wie wenn sie noch unterlegen wären. Der voranstehende Text über die Vorgänge bei der Demonstration der Konservativen, Liberalen und Christen in Berlin sagt das Gegenteil. Vor allem war die jüngste Kampagne in Sachen Polizei wie man sehen konnte erfolgreich. Nur zu bemerken ist, dass die Polizei kein Sportverein, kein Schauspielensemble oder eine Unterhaltungstruppe, sondern eine in der Verfassung verankerte Institution ist, die nicht von Publikumszustimmung abhängig ist, sondern einen Verfassungsauftrag hat, eben diese Verfassung und die Gesetze zu schützen und Verstöße dagegen zu unterbinden. Unter diesen beiden Gesichtspunkten ist dieses Manifest doch sehr wirklichkeitsfremd. Der Angriff der Bundeskanzlerin auf die Bürger- und Freiheitsrechte gegen den keine Partei im Bundestag sich auch nur enthalten hätte, die Instrumentalisierung von ideologisierten Aktivisten, gegen Institutionen des demokratischen Rechtsstaates belegt den Willen zur Macht und wirft die Frage auf, was die Manifestunterzeichner denn darüber hinaus noch getan haben wollen.

Entgegen der negativen Entwicklung ist die Meinungsregie der Medien dabei aus der geschrumpften SPD und der Linken, möglicherweise auch mit den Grünen eine neue linke Kraft zu formen. Die jeweiligen Bereitschaftserklärungen der dafür vorgesehenen Parteien folgten auf dem Fuße. Was wir hier beobachten können, ist die Umformung der Meinungsherrschaft einer Gesinnung in politische Macht. Unter diesem Gesichtspunkt ist von fehlenden Aktivitäten in der Linken, die die Unterzeichner des Manifestes besorgt nichts festzustellen. Die Aufmerksamkeit sollte sich viel mehr auf die rechtsstaatliche Demokratie richten, die bei diesen Vorgängen keine Rolle spielt. Wenn man die genannte Entwicklung kurz und präzise fassen sollte, müsste man von einer stillen Machtergreifung sprechen, von der das Manifest wohl ablenken soll. Damit wäre die rechtsstaatliche Demokratie ausgehöhlt und das Volk hätte über die Entwicklung jeden Einfluss verloren.

Nicht erst seit den Komplotten gegen Gaddafi und Saddam Hussein, die, wie jetzt festgestellt wurde die Massenvernichtungswaffen, wie von den Medien behauptet wurde nicht besaßen, noch die Massaker begangen hatten, wie berichtet wurde wissen wir, dass das missbrauchte Wort genauso töten kann wie Waffen oder Gift. Mit diesen Behauptungen zwang man Regierungen zum Handeln, den Irak und Libyen mit Krieg zu überziehen, bei dem viele Menschen ums Leben kamen. Die kampagnenführenden Medien wurden bis heute dafür nicht zur Verantwortung gezogen, obwohl sie nicht einen stichhaltigen Beleg für ihre drohenden Gefahren vorlegen konnten.

So wie jetzt auch ein Propagandakrieg gegen die USA geführt wird. Das Selbstverständnis der Vereinigten Staaten kreiste bisher um den „melting pot“ der Heimat von Freiheit und Gerechtigkeit in der auch Angehörige verfeindeter Völker als Amerikaner in guter Nachbarschaft leben, arbeiten und wohlhabend werden konnten. Stattdessen soll jetzt der jungen Generation von Amerikanern suggeriert werden, dass ihr weltweit Freiheit und Unabhängigkeit verteidigendes Land aus einem Sumpf von Sklaverei, Rassismus und Ausbeutung entstanden ist. So wie auch der weltweit angesehene Präsident Kennedy in einer Anzeige zu besten Sendezeiten mit zwei barbusigen Frauen als ehebrecherischer Lüstling vorgeführt wird und nicht als der Präsident, dessen Mut und Entschlossenheit die kommunistischen Atomraketen von Kuba entfernten und damit einen drohenden Atomkrieg verhinderte. Seltsamerweise reagieren die Amerikaner auf diesen tückischen Angriff auf ihr nationales Selbstverständnis kaum nennenswert. Nur Präsident Trump geht über Twitter frontal dagegen an. Über die Art und Weise mag man denken wie man will, aber Präsident Trump engagiert sich leidenschaftlich für sein Volk und will Schaden von ihm wenden. Man muss bedenken, dass er als Solist frontal gegen diese Kampagnen vorgeht, vergessend, dass diese Meuten weltweit vernetzt sind.

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