|
---|
Die vorliegende Publikation unterscheidet sich erheblich von dem was aus Anlass des 50. Todestages von Thomas Mann geschrieben, diskutiert und veröffentlicht wurde. Das Hauptinteresse an Thomas Mann kreist um seine Persönlichkeit, die persönlichen Lebensumstände und seine Beziehungen zu seiner Familie und Verwandtschaft. Nun wird nach seiner Frau auch seine Schwiegermutter Gegenstand intensivster Aufmerksamkeit. Im Unterschied zu den bisherigen, mehr ästhetisch, literaturgeschichtlich, biographisch und historisch orientierten Auslegungen der jüngeren Thomas-Mann-Forschung versucht Günter Rohrmoser folgende Thesen zu belegen: - Die Identifikation Thomas Manns mit Deutschland, dem Deutschtum und seinen großen kulturellen Traditionen hat sich bis in sein Spätwerk hinein nicht verändert. Man muss daher davon ausgehen, dass Thomas Mann an seiner konservativen Orientierung, bei allen Modifikationen und Zugeständnissen, unverändert festgehalten hat. - In der bisherigen Thomas-Mann-Forschung und -Literatur ist die Frage nach dem Verhältnis von Thomas Mann zum Christentum fast völlig untergegangen, oder sie wurde überwiegend negativ beantwortet. Der Charakter seines Werkes wies Thomas Mann, so schien es, als einen Ironiker, als einen Zyniker, ja als einen Nihilisten aus, der keine Hemmung hatte, auch religiöse Travestien in spielerischer, artistischer Form zum höheren Spaß dem Publikum vorzuführen. Günter Rohrmoser weist nach, dass dieser Eindruck, so sehr er in einzelnen Zügen seine Bestätigung finden mag, nicht stimmt. An seinem Spätwerk, vor allem an "Doktor Faustas" lässt sich nachweisen, dass Thomas Mann nach seinem eigenen Eingeständnis von seiner christlichen Herkunft und dem Impuls, den er aus der Mitte der Rechtfertigungslehre des reformatorischen Christentums empfangen hat, zutiefst bestimmt und bewegt wurde. Man wird aber die Frage noch offen lassen müssen, ob Thomas Mann sich nicht letztlich auch als ein aus dieser Quelle der Tradition bestimmter Autor erweisen wird. - Die Interpretation des Werkes von Thomas Mann von diesen konservativ-nationalen und christlichen Motiven her lässt auch ganz neue Rückschlüsse und Erkenntnisse auf die zentrale Auseinandersetzung mit der Tragödie Deutschlands, mit dem Ende seiner Geschichte, mit seinem Untergang und mit dem Gesamtkomplex intellektueller Modernität zu. Alle drei Gesichtspunkte bestimmen die hiermit vorgelegte Interpretation und es wäre von nicht geringer Bedeutung, wenn einer der größten Autoren der deutschen Literatur endlich auch unter anderen, als bloß ästhetischen Gesichtspunkten gesehen und gewürdigt würde. Das Schicksal der bürgerlichen Kultur und damit des deutschen Bürgertums, soweit man davon heute überhaupt noch reden kann, wird letztlich an einer erneuten Auseinandersetzung mit der Sicht von Thomas Mann nicht vorbei kommen. Darin scheint auch im Blick auf eine zukünftige deutsche Identitätsfindung die Bedeutung des Werkes von Thomas Mann und dieser Interpretation zu bestehen. |