Kurzkommentar --- 9. Juni 2005

Günter Rohrmoser

Zäsur durch Volksentscheid -
Schröder auch in Europa am Ende

Der Ausgang des Plebiszites für die europäische Verfassung in Frankreich und Holland hat für viele mit einer Überraschung geendet. Zwar hatte man in Frankreich mit einer knappen Ablehnung und in Holland mit einer moderaten gerechnet, aber das Ergebnis ist weit darüber hinaus gegangen. Vor allem in den Niederlanden haben fast 2/3 des ganzen Volkes gegen die EU-Verfassung optiert.

Man muss davon ausgehen, dass weitere europäische Nationen dem Vertrag ihre Zustimmung verweigern werden und wenn der Ratifizierungsprozess so fortgesetzt wird, dürfte dieser Vertragsentwurf wohl erledigt sein. Es war ja auch seltsam genug zu glauben, man könnte einen Vertrag, der bald 300 Seiten Text umfasst, dem Volk zur Abstimmung vorlegen. Selbst die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und anderer politischer Gremien in Europa dürften diesen Text nicht vollständig gekannt haben, den sie vehement vertreten und darüber abgestimmt haben. Abraham Lincoln hat schon darauf hingewiesen, dass der Text einer Verfassung ebenso kurz wie dunkel sein müsse. Dunkel muss er sein, weil er die flexible Anpassung an unvorhersehbare Umstände und Lagen durch entsprechende Operationen erlauben muss. Kurz muss er sein, damit er überhaupt Teil des Bewußtseins derjenigen werde, die diese Verfassung zu ihrer eigenen gemacht haben.

Die Zukunft Europas hängt von der Gründlichkeit und von der Tiefe der Besinnung ab, zu der jetzt unsere politische Klasse fähig sein muss. Und da kann man nicht optimistisch sein. Das erste was der stellvertretende Regierungssprecher nach dem Ausgang der Wahl in den Niederlanden erklärt hat war: Wir werden unsere Türkeipolitik unverändert fortsetzen, denn in der Türkei muss der Demokratisierungsprozess vorangetrieben werden, damit der Beitritt erfolgen kann. So wie auch die amerikanische Außenministerin Condolezza Rice gerade jetzt noch darauf hingewiesen hat, wie wichtig es wäre, dass die Türkei in Europa integriert wird. D.h. das würde dann amerikanischen Interessen und im Grunde genommen nur amerikanischen Interessen entsprechen, wenn die Türkei ein Teil Europas würde und man kann nur hoffen, dass auch dies von den Völkern verhindert wird. Ich habe wenig Hoffnung, was die Lernfähigkeit und die analytischen Kräfte unserer politischen Klasse angeht, aber ich habe neues Vertrauen in die Kraft der Völker, sich auch in dieser Bedrohungslage selbst zu behaupten.

Die Deutschen hätten vor den beiden Wahlen ...

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