Kurzkommentar --- 14. August 2005

Günter Rohrmoser

Versagt die CDU?

Der Wind hat sich gedreht

Bundeskanzler Gerhard Schröder verkündete im Bayerischen Rundfunk, dass seine Zuversicht wachse, und dass er mit einer Trendwende im Wahlkampf rechne und davon ausgehe, dass er erneut nach dem 18. September die Regierung bilden könne. Diese vielleicht etwas zu optimistische Einschätzung der Lage dürfte nicht völlig unrealistisch sein. Es ist deutlich, dass der enorme Vorsprung, über den die CDU noch vor wenigen Wochen verfügte, dramatisch geschmolzen ist. Gleichzeitig hat eine Diskussion in den öffentlichen Medien begonnen, die durchaus als eine schleichende Demontage der Kanzlerkandidatin der CDU verstanden werden kann. Direkt oder indirekt wird der Zweifel genährt, ob diese Kandidatin die richtige sei. Wenn man genauer hinhört, wird dieser Zweifel nicht nur von den einschlägigen Medien geteilt, sondern selbst bis in die Führungskreise der CDU sorgenvoll genährt. Dieser Zweifel hat durchaus eine Berechtigung, die in der Sache selbst beruht. Zunächst dürfte es nicht die wiederholte Verwechselung von Brutto und Netto sein, sondern entscheidend dürfte sein, dass sich nun herausstellt, dass das ganze Angebot, das Frau Merkel in leichter Variation bis zum Überdruss wiederholend vorträgt, nicht mehr bis zum Wahlkampfende zu tragen und die Bürger zu überzeugen scheint. Es ist absurd, aber Tatsache, dass von ihrem durchaus reichhaltigeren Angebot sozialtechnischer Maßnahmen, die sie im Sinne hat, nur ein Thema die gesamte Diskussion zu beherrschen scheint, nämlich ihre Absicht, die Mehrwertsteuer um zwei Punkte zu erhöhen. Dabei wird völlig übersehen, dass von dieser Mehrwertsteuererhöhung keineswegs alle Waren betroffen sind, sondern dass die Grundnahrungsmittel unverändert bei 7 % bleiben sollen. Ein durchaus lukratives Angebot der Kandidatin ist auch die Absicht, dass eine Familie mit zwei Kindern bis 37.000 Euro Verdienst im Jahr überhaupt keine Steuern mehr zahlen soll. Alles dies bleibt unerwähnt und unberücksichtigt, ja die Kandidatin selbst scheint nicht in der Lage zu sein, diese Frohbotschaften an die Wähler zu bringen.

Wenn man die Ausführungen von Frau Merkel hört, dann stört nicht nur die rein technisch rationale und auf Wirtschaft und Finanzen eingeschränkte Argumentation der Kandidatin, sondern man möchte gerne erfahren, was denn eigentlich das Ziel sei, um dessen Erreichung willen sie die Bürger zu Anstrengungen und Opfern aufruft und für die sie einen Aufbruch, ja eine Erneuerung der Bundesrepublik in Anspruch nimmt. Bei der Eröffnung des Wahlkampfes in Bayern gab sie die Antwort, das Ziel sei, dass jeder für sich selbst und seine Kinder ein besseres Leben haben soll. Das klingt gut. Wer möchte nicht ein besseres Leben haben. Nur hat das mit dieser Zielbestimmung doch eine eigene Bewandtnis. Denn die Vorstellungen von einem besseren Leben sind ja durchaus unterschiedlich. Vielleicht darf man nicht so weit gehen anzunehmen, dass alle 80 Millionen Deutschen eine verschiedene Vorstellung von einem besseren Leben haben, aber sicher ist, dass es auch noch viele Millionen in Deutschland gibt, die durchaus und berechtigtermaßen der Meinung sind, dass sie dieses Ziel, das bessere Leben, bereits erreicht haben, und keinen Grund sehen, irgendwelche Anstrengungen aufzubringen, um das gute Leben, was sie schon haben, noch weiter zu verbessern. D.h. diese Zielsetzung der Kanzlerkandidatin wendet sich an das isolierte private Individuum und zwischen dem Versprechen, einige finanz- und sozialpolitische Maßnahmen zu ergreifen, und ihre Verknüpfung mit dem Anspruch, Deutschland aus dem Tal herauszuführen und wieder an die Spitze zu bringen, besteht doch eine breite Kluft.

Man meint, irgendeine umfassende, allen gemeinsame und das individuelle Interesse übergreifende Zielsetzung müsste es doch eigentlich geben. Früher nannte man das eine Idee, dann eine Vision und schließlich verkürzte man es auf den Begriff Perspektive, wir wollen um den Begriff nicht streiten, aber irgend so etwas in dieser Art müsste es doch geben und viele Bürger vermissen es auch schmerzlich in den Ausführungen der Kanzlerkandidatin.


Eine ganz andere, wiederum mehr technische Frage ist die, ...


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