Kurzkommentar - 20. August 2015

Albert Wieland
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Urteilskraft statt Moral – Dilemmata*


Zwei Diktaturen schufen in Deutschland wesentliche Bedingungen für den Erfolg der Frankfurter Sozialphilosophie, die weniger philosophisch sondern eher in der Tradition der Sophistik denkt. Tatsächlich trat aber damit eine revisionistische marxistische Bewegung auf, die sich mit einer Psychologie nach Reich zusammengetan hatte, deshalb zur Unterscheidung als Psychomarxismus bezeichnet. Vorzugsweise von den Folgen des 2. Weltkrieges entwurzelte Menschen nahmen das Programm des bekannten Vertreters der Frankfurter Schule, nämlich von Jürgen Habermas: „mehr Freiheit, mehr Demokratie wagen“ auf, und setzten das Programm um, das da vorgab:

Entinstitutionalisierung der Gesellschaft

Entethisierung des Rechts

Entkriminalisierung des Verbrechens

Entpathologisierung der Krankheit

Entchristlichung

Die oben abgedruckte Programmatik der Frankfurter Schule wurde von den 68ern in Aufmärschen indoktriniert und dabei Einwände oder Widersprüche beiseite gefegt. Die Zustände, die wir jetzt schon haben sind ja keine extremen Einmaligkeiten und schon gar keine Höhe- und Endpunkte und vor allem sind sie nicht unbekannt. Vertrautere Bezeichnungen sind sittliche Verwahrlosung, Dekadenz und Anarchie. Die Abläufe solcher Prozesse sind bekannt und überliefert. Nach einer Freisetzungs- und Entgrenzungsphase folgen unausweichlich Verwahrlosung, Überwältigung und Verwüstung. Das hat es schon immer gegeben. Neu dagegen ist, dass man diese Zustände zu einem ideologischen Programm macht und damit in der zweiten deutschen Demokratie auch Wahlen gewinnen kann. Man darf nicht vergessen, die Kulturrevolutionäre haben immer gesagt was sie wollen und sind trotzdem gewählt worden. Von dem was schon ganze Völker ins Verderben stürzte heute heilsame Auswirkungen zu erwarten ist nicht nachvollziehbar, vollends unverständlich ist aber, dass das nicht schicksalhaft oder durch Zwang über uns gekommen ist, sondern geplant und gewollt. Heute dagegen haben die ehemaligen Revolutionäre vorrangig die Ämter und eroberten Pfründen zu verteidigen. Nur in der Presse und den Medien scheint ihre Macht noch ungebrochen zu sein. Der sich aufbauende bürgerliche Widerstand und die Rechten sprechen nur von der „Lügenpresse“, was namhafte Medienleute inzwischen zu dünnhäutigen Reaktionen veranlasst. Dieser Vorwurf zeigt zwar Wirkung, stimmt aber so nicht. Die führenden Chefredakteure, Redakteure und Journalisten sind an dem Platz, an dem sie arbeiten, weil sie einen Glauben, genauer gesagt, eine Ideologie haben, in deren Sinne sie die Ereignisse ausschließlich interpretieren, unabhängig von der Wahrheit und den Tatsachen. Kaum hatten sie der Öffentlichkeit ihr Leid geklagt, entschied das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zum Betreuungsgeld aufzuheben. Schon jubelten die linken und linksliberalen Zeitungen und Zeitschriften über die BVG-Entscheidung zur Aufhebung des Betreuungsgeldes. Dieses ist den Kulturrevolutionären ein Dorn im Auge, weil es die Familie, die sie abschaffen wollen, stärkt. Gegen diese Stellungnahmen muss gesagt werden, dass das Urteil des BVG sich nicht gegen das Betreuungsgeld selbst richtet, sondern einen Verstoß gegen die Gesetzgebungskompetenz richtig stellt. Familien fallen in die Gesetzgebung der Länder und im Rahmen derer Kulturhoheit hätte das Betreuungsgeld statt mit einem Bundesgesetz mit Landesgesetzen beschlossen werden müssen. Mit diesen „krummen Touren“ verdient man sich auch schon einmal den Ruf der „Lügenpresse“, wenn man den Menschen weis machen will, dass eine höchstrichterliche Formalkritik eine erwünschte Sachentscheidung sei.

Die Intellektuellenschicht, die mehr und mehr als Zuchtmeister auftrat, hat, wie wir täglich erfahren, ihre Ziele weitgehend erreicht. Bis auf die Tatsache, dass trotz inszenierter Massenveranstaltungen das Volk nicht erfasst wurde. Das belegt schlicht die Tatsache, dass z.B. Marcuse mit seiner Revolutionierung der Arbeitswelt gescheitert ist, denn unsere Wirtschaft läuft besser denn je. Wir lernen gegenwärtig, was wir aus dem suspendierten Kulturerbe von Platon und Aristoteles bereits hätten wissen können, dass nicht nur zu wenig Freiheit Probleme schafft, sondern auch zuviel. Diese Zeiten des „zuviel“ stellen uns vermehrt vor Entscheidungen, die keine besseren Alternativen anbieten, also Dilemmata sind. Die wichtigste Ressource in solchen Zeiten sind nicht Schablonen von Moral, die dazu noch aufgenötigt werden, sondern Urteilskraft. Diese zu stärken und zu unterstützen ist der Zweck unserer Arbeit in der Tradition von Günter Rohrmosers sozialer Diakonie der Vernunft. Diesem Anliegen dient auch die Besprechung einiger prägnanter Beispiele akuter Dilemmata.

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Das rot-grüne Projekt ist zur Macht gekommen und hat seine neuen Werte – propagandistisch gekonnt verbreitet – als Parole ausgegeben. Diese im Supra- und Transnationalen angesiedelten Werte wurden als tatsächliche Gefahr für Freiheit und Demokratie bereits in der Broschüre „Wiederaufstieg der Religion – Vom Niedergang der Aufklärung“ besprochen. Gleichzeitig wurde unsere Nationalkultur als Hort der Unwerte angeprangert. Da die Taten der Nationalsozialisten bereits mehrere Glieder tief von Linken in diesem Sinne ausgewertet werden, verblieben für bürgerliche Politiker auf Profilsuche zum Überzeugungstäter nur die Verbrechen des Sozialismus, die genug Stoff für etliche Generationen bieten würden. Wäre da nicht eine Sperre, die man nur zu seinem Schaden missachtet – man darf zwar Orte und Verbrechen nennen – aber aktuelle Bezugnahmen, Vergleiche sowie jede Forderung von Konsequenzen für den gegenwärtigen Sozialismus, werden dagegen verhindert. Und so ist ein hoher CDU-Politiker auf Profilsuche im ehemaligen Deutsch-Südwest-Afrika – heute Namibia – auf den Krieg gegen die Hottentotten und Hereros gestoßen. Seine Bemühungen führten dazu, dass nun der Bundestag beschlossen hat, dieses Ereignis als Völkermord zu bezeichnen. Wer wohl mit der Organisation und Leitung der „Trauerarbeit“ beauftragt werden wird? Was wohl zu befürchten ist, wenn die Aufspürer von Unwerten unserer Nationalkultur auf Hermann den Cherusker stoßen?

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Der herrschende kulturrevolutionäre Psychomarxismus geht inzwischen soweit, dass er selbst feindselige Integrationsverweigerung und die trotz angeordneter Verfälschung oder Unterdrückung in der Kriminalstatistik nicht mehr zu vertuschende Massenkriminalität von Zuwanderern nur mit noch mehr Zuwanderung und noch mehr sozialstaatlicher Betreuung zu beantworten erlaubt. Jeder Versuch, auf vernünftige Lösungen hinzuwirken, wird mit der Allzweckwaffe, der Benachteiligten-Litanei, übertüncht: eine Instrumentalisierung menschlicher Not für ideologische Zwecke, auf die gezielt, die sich lieber in Moral treiben lassen, als ihren Kopf zu gebrauchen. Da sie jeden vernünftigen Umgang mit diesem drängendem Problem verhindern, treiben sie die Liberal- und Nationalkonservativen und viele Christen mit den Bürgerlichen in die rechte Ecke, eine bedenkliche und völlig unnötige Aufhäufung von Zündstoff. Dies erkennend hat man die Nazifizierungsstrategie der Agitations- und Propagandaabteilung gegen die AfD vorübergehend ausgesetzt, um sie nach Abschluss entsprechender Vorkehrungen diesen Menschen als Sammelbecken zu überlassen, also eine Art politisches Ausdehnungsgefäß an einer langen und unauffälligeren Leine. Doch dafür scheint es zu spät zu sein, denn angesichts der sich abzeichnenden Spaltung der AfD wurde die Kampagne gegen den konservativen Flügel fortgesetzt. Der Versuch, den sich aufbauenden Widerstand in die kontrollierbare Kleinkariertheit umzuleiten, ist gescheitert und dessen Anliegen wieder ins Vorpolitische entkommen. Und so geht das deutsche Trauerspiel in die nächste Runde. Honorige, fleißige und gesetzestreue Bürger, also anständige Menschen, sehen die Not des Vaterlandes, tun sich zusammen und wollen Abhilfe schaffen. Mit einer Regelmäßigkeit nach der man fast die Uhr stellen kann, scheitern diese Treuherzigen an den Agitatoren und Ideologen, die Zugriff auf finanzielle Mittel von ganzen Volkswirtschaften haben. Bereits das Nibelungenlied behandelt, dass bei den Deutschen der Anständige eine Lanze zwischen die Schulterblätter kriegt. Darauf gibt es bis heute außer heroischer Trauer und der Rede vom Dank des Vaterlandes keine Antwort, sondern nur Wiederholungen mit dem immer gleichen Ausgang. Dass bereits Sokrates die Frage stellte, wer im Staat herrschen sollte und sie auch überzeugend beantwortet hat, taucht in rot-grünen Ausbildungs- und im übrigen eher Bildungsverhinderungsplänen nicht auf.

Die Frage, ob die Mächtigen im Staat herrschen sollten, beantwortete Sokrates mit Nein, weil sie den weniger Starken schlussendlich die letzten Freiheiten entziehen würden.

Die Reichen lehnte er auch ab, weil die den weniger Reichen und Armen auch noch die letzten Mittel abnehmen würden. Auch die Anständigen hielt der Philosoph für ungeeignet, weil der Großteil der Menschen weniger anständig oder ganz unanständig sei und von den Anständigen deshalb verfolgt würde.

Er kam zu dem Schluss, dass im Staat die mit einer Tauglichkeit, also die Tüchtigen herrschen sollen. Wie weit wir davon entfernt sind, war an Professor Sinn ablesbar, der eine Arete in Wirtschaftsangelegenheiten hat und in den Talkshows zu Griechenland – vor moralisierendem Realitätsverlust – nüchtern ernüchternde Beiträge brachte. Als das nicht aufgenommen wurde verstummte der Rückruf zur Realität.

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Nun sieht es so aus, als ob mit dem nationalen und internationalen Sozialismus eine der Hauptursachen für den geistigen Absturz Europas gefunden wäre. Das trifft sicher in vielen Bereichen zu, aber die Frage nach der Ursache und dem Ganzen kann eine solche flächendeckende Feststellung nicht beantworten, denn jede geistige Bewegung ist ein Konglomerat aus zutreffender Richtigkeit, Fehlinterpretationen und Irrtümern. Wie Hegel ausführte, entscheidet, vereinfacht ausgedrückt, der Wahrheitsgehalt über den Bestand und die Dauer der Herrschaft von Ideen. Sein Doktorand Karl Marx hat der Welt die Wahrheit dieser Feststellung mit seinem Werk vorgeführt. Wenn man nun Bewegungen, die Massenmorde zu verantworten haben, untersucht, fällt auf, dass der gemeinsame Nenner der Atheismus zu sein scheint.

Aber auch das lässt noch Fragen offen, denn nach der Schrift steht das „Ja“ und das „Nein“ unter Verheißung, wenn da nicht die Aufklärung eine neue Form der Gottlosigkeit begründet hätte. Sie gibt an von Religion nicht betroffen und auch nicht betreffbar zu sein. Mit den Intellektuellen entstand eine vom Volk völlig abgelöste Bildungsschicht, die, wie Nietzsche formulierte, es vorzieht nicht zu finden statt zu suchen. Schon mit Maxim Gorki nahmen Scharen von sogenannten Kulturschaffenden die neuen Leitideen mit ihren Arbeiten auf oder „quaatschten“ in den Feuchtgebieten konterkarierenden Widersinns hoch dotiert herum, während z.B. ein strahlender Stern wie Mozart noch in einem Armengrab verscharrt wurde. Das würde auch erklären warum der weltweite Wiederaufstieg der Religion an diesem Europa im Gegensatz zu Afrika oder China spurlos vorbeigeht. Der Lavastrom der „viva vox dei“, der vom Nahen Osten aus um die Welt lief, rief dagegen Gewaltorgien von Verfolgung und Unterdrückung hervor und blieb doch siegreich. Das was die neuen Kirchen der herrschenden Ideologie angepasst als Christentum präsentieren ist wohl nicht einmal wert bekämpft zu werden. Das ist aber nicht allein dem äußeren Einfluss der Ideologie geschuldet, sondern auch einer inneren Entwicklung im Christentum, nicht nur im Protestantismus. Es handelt sich um die sogenannte Vergesetzlichung des Evangeliums, die schon Martin Luther Sorgen machte, denn er schrieb an eine Gemeinde: „Nun kennt ihr den Herrn Jesus und fangt wieder mit eueren Setzungen an.“ In gleicher Sache schrieb er an Philipp Melanchton, der diese Entwicklung vorantrieb: „Mein lieber Philippe, hätte ich gewusst, dass das, was ihr macht das Ergebnis der Reformation sei, hätte ich nie damit angefangen.“

Wie geht nun Vergesetzlichung vor sich? Angenommen ein Christ lebt in erbittertem Streit mit einem Mitchristen. Als er ein Almosen opfern will, verlangt Christus von ihm, er solle sich zuerst mit seinem Mitchristen versöhnen, bevor er seine Gabe auf den Altar legt. Nun wird als erstes unterstellt, dass dies nicht eine Entscheidung für diesen Einzelfall, zu einer bestimmten Zeit und bestimmten Umständen, also im Kairos sei, sondern für alle Streitigkeiten unter Christen immer gelte, obwohl allgemeinverbindliche Gebote beginnen mit: Du sollst ...

Das ist die Spielwiese für Virtuosen, weil die so das Wesen Gottes zu ergründen versuchen, um Macht über Ihn zu gewinnen. Da dies mit vielen Zeugnissen göttlichen Eingreifens in individuelle Einzelfälle menschlicher Belange geschieht, erstarrt der Lavastrom Evangelium, der zwar unter der Kruste noch heiß ist, aber seine Dynamis verloren hat. Die Menschen, die sich in dieses Regelwerk einordnen, befinden sich in einer Sonderwelt abseits des tatsächlichen Ringens um eine schwer gefährdete Welt, die Erlösung braucht und keine „lebenden Bilder“ von frommen Christen.

Die Aufklärung über die Vergesetzlichung ändert selbst nichts, außer dass man vielleicht weiß, wovor man sich hüten muss. Ansonsten bleibt es bei der Feststellung von Günter Rohrmoser in diese Richtung: „sie glauben nur, dass sie glauben“. Wenn das behoben würde, fehlt unserem Land immer noch eine geistige Initiative, die ideologische Restbestände aus dem letzten Jahrhundert entsorgt, bevor auch nur daran gedacht werden kann, die gröbsten Fehlentwicklungen zu korrigieren. Eine Vorgehensweise wie von Margret Thatcher mit ihrer Parole „I kill socialism in Great Britain“, die dem Sozialismus den „allein seligmachenden“ Anspruch austrieb, geht aus vielen Gründen in Deutschland nicht, obwohl auch die demokratische Rechte darauf hinarbeitet. Das ist nicht in der Macht der Ideologie begründet, sondern in unserer Herkunftskultur.

Nur noch hoffnungslos Propagandagläubige erwarten etwas von einer Ideologie, die weltweit fast eine halbe Milliarde Menschen – Soldaten, Zivilisten, Anderstdenkende und Ungeborene – ums Leben gebracht hat. Wie eine Ideologie, die in allen ihren Spielarten weltweit versagt und mit einer solchen Blutschuld belastet ist, in Deutschland noch das Ansehen einer Weltanschauung genießen kann, mit der wir die Herausforderungen der Postmoderne besser als mit jeder anderen Theorie bewältigen könnten, sagt nichts über den Sozialismus aus, aber alles über die geistige Verfassung unseres Volkes.

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Die Kanzlerin Angela Merkel weist gerne darauf hin, dass der Euro gut für uns sei, deswegen müsse er u.a. als Gemeinschaftswährung incl. Griechenland erhalten und gerettet und dieses Land folgerichtig saniert werden. Bisher wurden alle auftretenden Probleme in den Mitgliedsländern und der Gemeinschaft mit Geld geregelt, das scheinbar in unbegrenzter Menge zur Verfügung steht. Da gibt es den Rettungsschirm, Notkredite, Entwicklungsdarlehen und Sonderunterstützungen für fast alle Fälle. Das Geld fließt und fließt, ohne dass sich irgend jemand für seine Herkunft interessiert. Ein Teil der ungeheueren Summen, um die es hier geht, kommt aus Mitgliedsbeiträgen, also Steuern, was aber nur einen Teil der Ausgaben belegt. Aus dem Finanz- und Kapitalmarkt kommt ein weiterer Teil, aber über den Löwenanteil wird mit politischen Parolen eher Unklarheit verbreitet. Wo kommt nun der Löwenanteil her?

Da die Industrie, also die Konzerne, kaum oder keine Steuern bezahlen, kommt das Betriebskapital des Banken- und Finanzwesens vom Mittelstand und den gern zitierten kleinen Leuten. Die größten Summen entstehen aus der Streukapitalsammlung bei diesen „kleinen Leuten“, also der Arbeiter, Angestellten und Beamten, die für das Alter, Notzeiten und besondere Anschaffungen bei den Geldinstituten Sparkonten angelegt haben. Diejenigen, die richtig Geld haben, sind nicht Sparer, sondern das, was wir unter Anteilseignern oder Anlegern verstehen, die über Shareholder-Value an den Firmenerträgen mitverdienen, also eine Rendite erzielen. Die Sparer werden üblicherweise durch Zinsen für die Hergabe ihres Geldes entlohnt. Nun hat die EZB im Verbund mit den Staatsbanken diese Zinsen faktisch abgeschafft, in Einzelfällen müssen die Sparer sogar Minus-Zinsen für ihr Geld auf der Bank zahlen. Da die Inflation mit steigenden Preisen am privaten Kapital der Verbraucher nach wie vor zehrt, aber die Sparkapitalverzinsung als eine Art Inflationsausgleich wegfällt haben wir es mit einem ganz neuen Phänomen zu tun.

Herr Bosbach, CDU, räumte zwar ein, dass der Finanzminister durch Kredite fast zum Null-Tarif jährlich mehr als 10 Milliarden an Zinsen einsparte. Was er zu erwähnen vergaß, ist, dass durch Umschuldung auf diese Kredite bei Bund, Ländern und Gemeinden ein vielfaches an Zinsen für Altschulden eingespart werden. Aber auch das belegt immer noch nicht die ungeheueren Summen, mit denen Europa durch die Gegend wirft. An den demokratischen Entscheidungen in Wahlen und Volksabstimmungen vorbei werden zusätzlich auf dem Verordnungswege öffentliche Leistungen wie z.B. die Pflege und Erhaltung örtlicher Straßennetze, aus der Steuerfinanzierung herausgenommen und den Bürgern zusätzlich aufgebürdet. Bisher hat noch niemand diese heimlichen Steuererhöhungen auf dem Verordnungswege beanstandet. Wenn man aber die steigenden Preise berücksichtigt und die Lohnerhöhungen, entstehen daraus erhebliche Steuermehreinnahmen und man hat nun in der Summe aller Phänomene die scheinbar unerschöpfliche Geldquelle ausgemacht. Da das in allen Mitgliedsländern geschieht übertrifft diese Manipulation des Finanz- und Steuersystems die Enteignungen von Volksvermögen durch die kommunistischen Verstaatlichungs- und Enteignungskampagnen um Längen. Pikanterweise regieren in ganz Europa Sozialisten allein oder mit, die ja doch angetreten waren, den Reichen zu nehmen und den Armen zu geben. Nachdem ihnen die Arbeiterschaft weggelaufen ist, sorgen sie sich wohl nur noch um ihr neues Proletariat, die Flüchtlinge. Wenn das Sparkapital wieder einigermaßen verzinst würde, wäre der Euro gestorben und Europa zerfiele. Dass die politische Kaste das weiß, erklärt die nicht nachvollziehbaren Entscheidungen in den Verhandlungen mit Griechenland, bezahlt mit dem teuersten was es gibt, mit sittlicher Autorität und mit Gesichtsverlust. Wie es scheint, erleben wir die Widerlegung des sozialistischen Glaubens, dass durch Zusammenschluss von vielen Schwachen und Maroden ein Starker entstehen würde. Tatsächlich aber bleibt der Zusammenschluss nach dem Gesetz der verbundenen Röhren auf dem Niveau der eingebrachten Mittelmäßigkeit.

Griechenland

Wann hat Griechenland die Beitrittskriterien zur EU erfüllt?

Wann war Griechenland zuletzt kreditwürdig?

Wann hat Griechenland lückenlos und glaubwürdig die Verwendung von Krediten und Hilfsgeldern nachgewiesen?

Wann hat Griechenland zuletzt aus erwirtschaftetem Guthaben Schulden zurückgezahlt und nicht wie im Schneeballsystem mit neuen Schulden alte Löcher gestopft?

Wann hat Griechenland zuletzt mit seinen Gläubigern Rückzahlungsvereinbarungen eingehalten und nicht während deren Laufzeit „Nachschüsse“ herausgeschlagen?

Eigentlich wäre damit ohne Debatte das Thema Griechenland abgehandelt. Wäre da nicht Europa, das sich den Präzedenzfall eines Ausscheidens nicht leisten kann, da sonst das Kartenhaus EU ganz zerfallen könnte. Weil die politische Kaste Europas dafür jeden Preis zu zahlen bereit ist, erleben wir jetzt, wie ein Schwanz mit dem Hund wackelt. Die herablassenden Beleidigungen und einfallsreichen Tricksereien werden mit einer anscheinend unendlich strapazierbaren Verhandlungs- und Konzessionswilligkeit entgegen genommen und mit Beschwichtigungen beantwortet. Tsipras pokert volles Risiko, aber scheinbar versteht niemand was er wirklich will. Tsipras will nicht weniger als den Hinauswurf Griechenlands provozieren, um umgehend die dadurch entstandene Zahlungsunfähigkeit auszurufen, womit alle Schuldsummen weg wären. Das will sich die politische Kaste Europas nicht leisten und das wirft die Frage auf, zu wem Europa, das so an der Nase herumgeführt, beleidigt und erniedrigt wurde, eigentlich noch mit Autorität irgend etwas sagen will, nachdem es mit den neuen Werten im Supra- und Transnationalen vorgeführt und durch immer neue Zahlungen regelrecht ausgenommen wurde. Der griechische Ministerpräsident führt der Welt vor, wie man aus Dilemmata reiche Beute macht, was ihm die EU-Moralisten ja auch nicht besonders schwer gemacht haben.

Abschließend bleibt festzustellen, dass er berechtigte Hoffnungen auf Erfolg hat. Tsipras ist wahrscheinlich die Klippe, auf der ein Schiff auf Abwegen – die EU-Costa-Concordia – zerschellt, er ist ein Schurke, aber ein hoch intelligenter.

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