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Albert Wieland --------------------- Renaissance des Rechtsstaates - Gesinnungsdiktatur oder Volksherrschaft* In seiner Rechtsphilosophie bezeichnete Hegel den Rechtsstaat als die wichtigste Errungenschaft der Aufklärung. Diese neue Form des Staates ist in ihrem Handeln und Unterlassen dem Gesetz unterworfen, das bedeutete nicht mehr und nicht weniger, als dass kein Monarch, kein Adel, keine kapitalistische Oberschicht oder eine Partei mit ihren Politikern die Macht hat, sondern dass das Recht herrscht. Das Besondere daran ist, dass das Volk an der Entstehung dieses Rechtes oder Gesetzes von Anfang an beteiligt wurde. Dass dieser Staat mit dem Gewaltmonopol alle Macht an sich zog und die Blutrache und Lynchjustiz verbot, schuf die Voraussetzungen für in der Geschichte atypisch lange Phasen inneren Friedens. Diese attraktive Staatsform ist kein naturwüchsiger Selbstläufer, sondern es hat erhebliche Opfer gefordert sie durchzusetzen und zu installieren. Allein das und die unbestreitbaren Vorteile wären Grund genug, diesen Staat zu tradieren und seine Grundlagen gegenüber politischem Moralismus entschlossen zu behaupten. Das kann kaum gelingen, bei einem Lebensstil des gut Essens, gut Trinkens, angenehme Unterhaltung genießens und das unbelästigt von störenden Problemen, denn wenn man tot ist, hat aller Spaß ein Ende. Nachdem das zu einer Art allgemeinem Lebensgefühl der zweiten deutschen Demokratie geworden ist, versteht man auch nicht, was jüngst unser hoher chinesischer Staatsgast subtil ausdrückte, als er ohne respektable Übereinstimmungen in politischen und kulturellen Angelegenheiten milliardenschwere Verträge zückte, die in Anwesenheit der Kanzlerin vorwahlkampfgünstig unterzeichnet wurden. Er war schlicht in Deutschland bei der Gelegenheit des G20-Gipfels „einkaufen“. Nach jahrelanger medialer Vorarbeit ist jetzt klar, dass in unserem Staat nicht nur die Polizei legitimiert ist Gesetze durchzusetzen, sondern auch Linksextreme, die uns in ihrem heiligen Krieg gegen den angeblich wiederkehrenden Nationalsozialismus auch mit Gewalt schützen dürfen. Meistens treten diese in Personalunion auch als Autonome auf und verhandeln auf Augenhöhe wie unabhängige Verwaltungseinheiten mit den demokratisch gewählten Autoritäten. Autonom bedeutet, das Gesetz nicht von der Verwaltung, der Polizei oder der Regierung akzeptieren sondern sich selbst zu geben. Sie geben sich aber das Gesetz nicht selbst, sondern brechen es, wie in Hamburg, auch mit brachialer Gewalt, wodurch die hochgelobten „Aktivisten“ in einem früheren Sinn dieses Wortes zu „Tätern“ werden. Die Krawalle um den Hamburger G20-Gipfel waren, gemessen an Vorgängen in anderen Städten und anderen Ländern, durchaus vergleichbar. Diese Milizen, geeint durch Ideologie und edle Ziele skandierend, sind bestens organisiert und mit Gesinnungsgenossen im In- und Ausland vernetzt. Allerdings zeigen sie keine Marschformation oder eine von außen erkennbare Kommandostruktur. Die hohe kriminelle Energie des Vorgehens wird von den Medien und nahestehenden Parteien als Eifer für die gute Sache gerechtfertigt. Die Straftaten werden weltanschaulich begründet, entkriminalisiert und die ausgeübte Gewalt als gleichberechtigt neben der Arbeit der Polizei behandelt. Tatsächlich ist aber Gewaltanwendung durch Gesinnungsmilizen in der Verfassung nicht, die Machtausübung der Polizei aber sehr wohl legitimiert. Neu an den Hamburger Krawallen war, dass der kulturrevolutionäre Sozialismus, der zur Staatsräson aufgestiegen ist, Ziel der Attacken linker Milizen wurde, die das in der Ideologie versprochene Heil, Not und Elend aus der Welt zu vertreiben nicht erkennbar eingelöst gesehen haben. Die Not und das Elend der Dritten Welt wird, mit Marx ausgedrückt, als „verlogener Überbau“ benützt, um die verfasste Volksherrschaft, die einer „linken Machtergreifung“ im Wege steht, zumindest zu schwächen oder einzuschüchtern. „Die tun halt was für ihre Überzeugungen“. Dieser oder ähnliche Kommentare von Journalisten, Künstlern und Politikern, alle mit dem goldenen Löffel von Demokratie- und Freiheitsrechten im Mund aufgewachsen, lassen das Ausmaß der inneren Erosion der Demokratie angesichts dieser tatsachenresistenten, geschichtsvergessenen Einsichtsunfähigkeit erahnen. Dieser Vorgang hat etwas Revolutionäres, denn diese linksextremen Zellen – Sozialhilfe und Hartz-IV besoldet – in je eigenen Blocks und Stadtvierteln residierend, traten bisher „zufällig“ immer nur dann auf, wenn das „gesunde Volksempfinden“ sich irgendwo nicht genügend empörte gegenüber unerwünschten Aktivitäten von als Rechte und Neonazis gebrandmarkten Bürgern. Dass sie sich nun gegen ihre eigenen Mentoren und an die Macht gekommenen Gesinnungsgenossen wenden, wird wohl den linken Parteien und Gruppierungen die menschewikische Ausrichtung als nicht mehr ganz so opportun erscheinen lassen. Dass, nebenbei bemerkt, alle Zellen dieser Art im europäischen Ausland, wie z.B. die Bewohner der Berner Reitschule, geschlossen in Hamburg antraten, um den antikapitalistischen Kampf gegen eine gemäßigt sozialistische Regierung und ihren internationalen Gästen mit allen Mitteln zu unterstützen, stellt eine Zäsur der inneren Lage der BRD dar. Oder in marxistischer Diktion: die Gewinner der linken Unterwanderung sind selbst zu Zielscheiben der Ideologen geworden. Brennende Barrikaden, wahllos verbrannte Autos, fast zwei ganze Hundertschaften zum Teil schwer verletzte Polizisten, schreckten die bundesdeutschen Wohlstandsbürger auf. Konfrontiert mit der nackten Gewalt des Linksextremismus konnten sie die Welt, als völlig ungerecht, nicht mehr verstehen. Dies war ein Moment, wo auch Mitläufer im rot-grünen Projekt bereit gewesen wären, die Wiederherstellung des Gewaltmonopols des Rechtsstaates zu unterstützen und die illegale Gewalt der Linken zu beenden. Halbherzig, wie meistens, kapitulierten sie sofort wieder, als die gesteuerten, voreingenommenen Medien ihre frühere Informationslenkung zügig wieder aufnahmen. Als erstes kam der Vorwurf von Falschberichterstattung der Polizei und Klagen über unverhältnismäßige Gewaltanwendung durch die Einsatzkräfte. Diese Klagen wurden nicht mit öffentlich registrierten Vorkommnissen begründet, sondern auf Erkenntnisse von dubiosen, eigenen Infopoints in der Bevölkerung. Relativierend zu diesen bürgerkriegsähnlichen Gewaltausbrüchen wurden sofort Beispiele rechter Gewalt berichtet, so durch heimlich, also illegal gemachte Bilder in einer geschlossenen Veranstaltung mit Hitlergruß. In der tendenziösen Darstellung der Medien wurde suggeriert, dass 150 Hitlergrüße in einem geschlossenen Raum 150 rechtsextreme Schwerverbrechen mehr bedeuteten. Dabei trat auch zu Tage, dass vermeintliche Rechte von Presseteams tagelang beschattet und dokumentiert wurden. Diese angemaßten illegalen Ermittlungen der Medien zur Entlastung der Linksextremisten wurden quasi sanktioniert, als eine Staatsanwaltschaft daraufhin Ermittlungen einleitete. Walter Benjamin, Philosoph aus der Tiefe der jüdischen und deutschen Geistesgeschichte, prägte das katastrophische Geschichtsbild. Er war der Überzeugung, dass der Mensch vom Sturm aus der Vergangenheit über die Ruinenfelder der Gegenwart rückwärts in die Zukunft geblasen würde. Für Situationen wie die geschilderte und schlimmere war er der Meinung, dass „messianische“ Impulse den inneren Zusammenbruch der Geschichte und ihre Blockade auflösen würden. Das bedeutet, dass er keinesfalls den fast unbegrenzten Umfang der inneren Verkommenheit, zu der Menschen fähig sind, verdrängte oder schönredete, sondern mit den messianischen Impulsen auf eine höhere, nicht näher bezeichnete Intervention hoffte. Aber damit müssen wir die staatspolitische Erörterung mit Erkenntnissen der Religionsphilosophie oder Theologie ergänzen. Denn die wahre humane Alternative zu dem Tugendterror der Ideologen mit dem Wohlverhalten erzwungen wird, ist die Rechtfertigung durch das Christentum. Die vollkommenste Form von Rechtfertigung, ohne Zwang und ohne Verdienst, ist dem Messias aus dem jüdischen Volk zu verdanken. Ohne Rechtfertigung ist diese gefährliche ineinander Verklammerung von Rechten und Linken, die jede vernünftige politische Entwicklung verhindert, nicht zu befrieden. Es gibt aber überhaupt keine Notwendigkeit, sich für rechts oder links zu entscheiden. Es gibt aber viele Gründe, sowohl Rechte als auch Linke daran zu hindern, unsere Demokratie in eine Gesinnungsherrschaft zu verwandeln, wobei der Tugendterror nur eine Frage der Zeit wäre. Da diese heilsame Rechtfertigung von den großen Kirchen gerade der rot-grünen Politmoral untergeordnet wurde, steht der Beginn einer Entwicklung, die die Schäden und Verirrungen heilt, wohl noch eine Weile aus. Sollten wir uns auch diese Demokratie verpfuschen oder wegnehmen lassen, wären auch die langfristigen Folgen zu bedenken. Aber die bürgerkriegsähnlichen Kämpfe in Hamburg zum Anlass zu nehmen, die angeschlagene Demokratie wieder herzustellen, wäre wohl der geeignete Weg, um diesem nackten Terror noch einen Sinn abzugewinnen. Wobei es nicht damit getan ist, nur abstrakte Demokratiegebote und Formalien wieder zu beleben. Ein Rückgriff auf Inhalte des Christentums ist unverzichtbar, denn Freiheit ist, wie Hegel und schon Luther erkannten, nur im Christentum zu begründen. Für die damit zusammenhängende Frage der Rechtfertigung, ohne Zwang und ohne Verdienst, trifft das genauso zu. Im Selbstverständnis dieser Demokratie haben auch Linke oder Rechte, die sich an die Gesetze halten, einen Platz im demokratischen Rechtsstaat. In den rechten oder linken Gesinnungsdiktaturen dagegen sind abweichende Meinungen von Unterdrückung, wenn nicht Schlimmerem bedroht. In seiner Zwei-Reiche-Lehre auf die das zurückgeht definierte Augustinus den Unterschied zwischen der civitas dei und der civitas terrena dahingehend, dass die Bürger der civitas terrena Gott benutzen und sich an den Dingen dieser Welt erfreuen. Die Bürger der civitas dei benutzen die Dinge dieser Welt und erfreuen sich an der Gnade und Güte Gottes. Der Soziologe Ernst Bloch war vom Erfolg des Sozialismus überzeugt. Er warnte aber für diesen Fall davor, dass die Gleichheit, mit der der Sozialismus Gerechtigkeit schaffen will und die Machtzentriertheit, alles bis ins Kleinste regeln würde. Die entstehende Konformität, auf die das nach Blochs Überzeugung hinausliefe, würde das Leben in diesem Sozialismus so veröden, dass es sich auf bloßes Dasein reduzieren könnte. Als Abhilfe empfahl er, das Christentum so zu verändern, dass es der Sozialismus beerben könnte. Vielleicht erklärt das die derzeitigen Vorgänge in den großen Kirchen. Auf dem Programm einer solchen Grundüberholung unserer Demokratie müsste ganz oben die Durchsetzung des Gewaltmonopols des Rechtsstaates ohne „wenn und aber“ stehen. Sonderurlaub für überbeanspruchte Einsatzkräfte und Erholungsurlaub für Verletzte kann es ja wohl nicht alleine sein. Auch die eingerissene Unart, den weltanschaulich neutralen Rechtsstaat zu „Gefälligkeitsgesetzen“ für oder gegen Weltanschauungsgruppen zu verleiten, muss auf den Abrisskalender gesetzt werden. Notwendig wäre auch den Ehrenschutz verleumdeter Opfer des politischen Moralismus wieder durchzusetzen, um den Gesinnungstätern den verweigerten Respekt vor den Mitbürgern, die ihre Ideologie nicht teilen können oder wollen, wieder beizubringen. Die Wiederherstellung der Demokratie bleibt jedoch unvollständig, solange die Warn- und Abwehreinrichtungen, die eine Art Selbstheilung in Gang setzen, nicht wieder aktiviert sind. Deshalb ist es unabdingbar, dass wir über Philosophie reden. Mit der Verschulung der Universität durch Projekt- und Detailorientierung verschwand die Philosophie in der Kontinuität der europäischen Geistesgeschichte fast völlig. Es blieben soziologieorientierte Denkfabriken, angesetzt auf Adaptionsprobleme der Ideologie mit der Wirklichkeit, die beflissen Erwartungen erfüllen und deshalb ihren Workshop-Charakter nicht loswerden können. Allein die europäische Philosophie in ihrer Tradition und Kontinuität von der Antike bis heute stellt die Fragen nach dem Grund und dem Ganzen und müht sich sie zu beantworten. Dadurch kann man zum Beispiel beurteilen, welche Veränderung dem Ganzen nutzt oder schadet, und hilft die Teile an ihrem Platz im Ensemble eines demokratischen Rechtsstaates einzuordnen. Das ist die Philosophie, die nach Meinung Platons den Philosophen zum Arzt der kranken Demokratie macht. Wie ausgeführt und ersichtlich, ist eine solche Heilung unseres demokratischen Rechtsstaates mit Knöpfchen- und Touchscreen drückenden Wissens-Patchworkern, die zu jeder neuen und ungewohnten Frage die bekannten vier Alternativantworten brauchen, nicht zu bewältigen, sondern diese Aufgabe ist des Schweißes der Edlen wert. So oder so wird jede Entscheidung, auch eine Nichtentscheidung, tiefgreifende Folgen haben.
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