Prof. Dr. Günter Rohrmoser ist tot - 15. Sep. 2008

Nachruf auf den Interpreten des Logos in der Kulturkrise

Das Gründungsmitglied der Gesellschaft für Kulturwissenschaft e.V., unser hochverehrter Mentor, der Ordinarius für Sozialphilosophie und Politische Philosophie em. an den Universitäten Stuttgart und Stuttgart-Hohenheim, Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland,

Professor Dr. Günter Rohrmoser,

ist am Montag, den 15. September 2008 von uns gegangen.


Günter Rohrmoser studierte von 1947-55 in Münster und Tübingen Philosophie, Theologie, Nationalökonomie, Geschichte und Germanistik. Er promovierte 1955 in Münster mit einer Arbeit über Shakespeare und habilitierte 1961 in Köln mit einer Arbeit über Georg Friedrich Wilhelm Hegel. Bis 1976 war er Ordinarius an der Pädagogischen Hochschule in Münster und Honorarprofessor an der Universität Köln.

Gerade diese Veranstaltungen in Köln mit zum Teil 1000 Studenten im Oberseminar bewogen die SPD Nordrhein-Westfalens, ihn für den Lehrstuhl für Philosophie an der Universität Köln vorzuschlagen. Dies scheiterte am entschlossenen Widerstand der CDU. 1976 wurde er von Ministerpräsident Filbinger an den neu geschaffenen Lehrstuhl für Sozialphilosophie an der Universität Stuttgart-Hohenheim berufen und von da an von Teilen der SPD bis zu seinem Tode bekämpft und angefeindet. Trotzdem wurde er von der sozialliberalen Regierung in die Bund-Länder-Kommission zur Erforschung der geistigen Ursachen des Terrorismus berufen.

1980 gründete er mit Hans Filbinger das Studienzentrum Weikersheim. Angelehnt an den von ihm hochgeschätzten Dostojewski sollte eine Plattform gebildet werden, in der alle Philosophien und Theorien, die die Bundesrepublik Deutschland gestalteten, miteinander in Dialog treten und sich aneinander abarbeitend über den Grund und die Berechtigung ihres Gestaltungsanspruches Auskunft geben sollten. Die hochspannenden Debatten fanden einen ungeheueren Zulauf und waren regelmäßig überfüllt. Als gegen Rohrmosers Einspruch Weikersheim sich dieser Gründungsintention verweigerte und sich zu einer konservativen Kaderschmiede im Vorfeld der CDU umgestaltete, trat Rohrmoser bereits 1982 enttäuscht aus. Von da ab konnte er nur noch mit erheblichen Bemühungen zu Gastvorträgen in Weikersheim bewegt werden.

1976 sprengten Studenten die Vorlesungen von Rohrmoser und verhinderten jegliches öffentliche Auftreten. Angesichts dieser mit einer freiheitlichen Demokratie unvereinbaren Machtausübung verblendeter Ideologen bildeten sich spontan an drei Universitäten „Arbeitskreise für geistig-ethische Erneuerung“, die als echte studentische Bürgerinitiative dieses „Veröffentlichungsverbot“ außer Kraft setzten, indem sie Rohrmosers Arbeit aufzeichneten und einer öffentlichen Diskussion zugänglich machten. Stetig wachsend wurde daraus 1982, die Studentengruppen zusammenfassend, die Gesellschaft für Kulturwissenschaft e.V., die die Schriften und Bücher Rohrmosers verlegte und bis heute weltweit ausliefert.

Die Entscheidung des deutschen Volkes 1933, den Teufel Kommunismus mit dem Beelzebub Hitler und seinem Nationalsozialismus auszutreiben, hielt er für fatal und ursächlich für die katastrophale zweite Zerstörung Deutschlands im letzten Jahrhundert. Als der Aufstieg der von Georg Lukács 1940 in Moskau entwickelten Antifa-Strategie begann, wies Günter Rohrmoser unermüdlich darauf hin, dass das deutsche Volk heute bereit sei, den Beelzebub Hitler mit dem Teufel Kommunismus auszutreiben und wir damit wieder, wenn auch mit verändertem Vorzeichen, vor der Entscheidung von 1933 stehen. Er hielt es für nicht zulässig, die Lehren aus 1945 in den Wind zu schlagen und denselben Fehler im Prinzip noch einmal zu machen. Wie recht er damit hatte bewies die furchteinflößende Machtentfaltung der Antifa, sogar im Zusammenspiel mit demokratischen Institutionen, jüngst in Köln, die wie 1933 für die Zukunft nichts Gutes erwarten lassen. Friedrich Ebert, den 1. Reichspräsidenten zitierte Rohrmoser gerne mit seinem großen Ausspruch: Wenn ich die Wahl habe zwischen dem Sozialismus und Deutschland, dann wähle ich Deutschland. Den Ebert-Sozialdemokraten war er wie keiner anderen politischen Formation in einem freundlich-ironischen Verhältnis verbunden, das er wie folgt formulierte: „Diese Linken denken zwar letztlich falsch, aber sie denken wenigstens.“

Als die bürgerlich-christlichen Parteien ihr Programm und die kärglichen Reste von Philosophie auch noch aufgaben und einschwenkten in die Bastelrunde an dem zum alleinigen Inhalt deutscher Politik gewordenen Sozialstaat mit ihren Finanzkabinettsstückchen, gab er jede Hoffnung auf eine Erneuerung aus der Mitte der politischen Parteien auf. Von da ab widmete er sich ganz der Aufgabe, der sich Weikersheim verweigert hatte, nämlich die das Gemeinwesen gestaltenden Philosophien auf ihren Grund und ihre Wirksamkeit auf das Ganze zu überprüfen und ihren Berechtigungsanspruch zu beurteilen. Das führte zu einer explosiv-produktiven Ausweitung seines Werkes. Dafür wurde er hochgeehrt, nicht nur mit dem Bundesverdienstkreuz, sondern auch von der Akademie der Wissenschaften Russlands und der Akademie für Sozialwissenschaften Chinas. Seine Grundsatzwerke stehen nicht nur in den Universitätsbibliotheken ganz Europas, sondern auch in Amerika, Israel, Russland, China, Südafrika und Australien. Dem solchermaßen Hochgeehrten blieb die Erfahrung nicht erspart, dass er in seinem geliebten Deutschland auch geringgeschätzt und zum Teil bösartig geschmäht wurde.

Die brillanten frei gehaltenen Vorlesungen mit ihrer zündenden und begeisternden Rhetorik, die in uns die Liebe zur Philosophie und zum Denken entwickelten, werden wir für immer vermissen. Seine scharfsinnigen Analysen, frei von jeder Polemik, aber unerbittlich in der Sache, orientierten Freund und Feind. Über die Frankfurter Schule und seinen großen triumphierenden Gegenspieler Jürgen Habermas ist nie ein böses Wort gefallen und vor allem keine persönliche Verunglimpfung. Damit folgte er getreu dem, der von sich selbst sagte, er sei der Weg, die Wahrheit und das Leben und der geboten hat, den Sünder zu lieben und nur die Sünde zu hassen.

Wenige Monate vor seinem Tode begann er sein letztes Großprojekt, nämlich Deutschland aufzuklären, über die geistigen Wurzeln der Kulturrevolution, bevor in der falschen Konfrontationsstellung Rechts oder Links vielleicht wieder eine Entscheidung fällt, die unser Schicksal endgültig besiegeln könnte. Als leidenschaftlicher liberaler Demokrat war er nicht dafür, diese Extreme zu unterdrücken und zu verbieten, sondern im Sinne Aristoteles durch die Herrschaft der Mitte zu zügeln und ihre berechtigten Ansätze für das Gemeinwesen fruchtbar zu machen. An dieser Stelle endete sein arbeitsreiches Leben und er legte die kämpferische Feder nieder.

Jetzt wird es von uns abhängen, ob wir von ihm lernen wollen, Freund und Feind zu unterscheiden oder wenigstens die Vernunft aufbringen, zwischen dem Rettenden und Verderblichen zu wählen, wovon wahrscheinlich die historische Fortexistenz unseres Volkes abhängen wird.

Schon im Krankenhaus überarbeitete und autorisierte er zur Veröffentlichung seine letzten Schriften, die wir in wenigen Tagen anbieten können:

- Platon hochaktuell I - Werte statt Gerechtigkeit

- Platon hochaktuell II - Wohin uns das nicht wissen des Nichtwissens bringt

- Geschichte vs Träume - Ist der Atheismus das wahre Übel